Gedanken unterwegs
Schreibe einen Kommentar

Sprachliche Konstruktionen – Fakten, Tatsachen und Ereignisse, Teil 3

Das sich das Verhältnis von Fakten und Interpretationen als eines der Kernprobleme der Geschichtstheorie und vor allem als ausschlaggebender Punkt erweist, wenn es um die Konstruktion der Geschichte durch Sprache geht, lässt sich auch am folgenden Beispiel festmachen.

Ein und dasselbe Ereignis z.B., beinhaltet mitunter unterschiedliche Fakten (Tatschen). Es ist eine Tatsache, dass Ludwig XVI 1793 starb und es ist eine Tatsache, dass er hingerichtet wurde. Die Tatsache ist unumstritten, allerdings zeigt sich in der Sprache eine Spezifizierung, die für die Geschichte von großer Bedeutung ist und die nur durch die Sprache vermittelt werden kann.

Es offenbart sich, dass der Begriffsrahmen eine völlig andere Ansicht eines Ereignisses liefern kann. Diesem Beispiel folgend, ist Ludwig XVI nicht nur gestorben, sondern er wurde auch hingerichtet. Das Ereignis ist in der Wirklichkeit präsent, erhält aber durch die Sprache eine ganz andere Wirklichkeit. In der Sprache liegen mehrere Wahrheiten verborgen, die auf unterschiedliche Wirklichkeitsauffassungen hindeuten (E.H. Carr).

Die Hinrichtung von Ludwig XVI selbst, könnte auf unterschiedliche Art und Weise interpretiert werden. Der Tod steht als Ereignis fest. Ein Anhänger der Monarchie beispielsweise könnte die Hinrichtung als einen kaltblütigen Mord des Bürgertums an ihrem König betrachten. Er würde den Mord verurteilen und ihn als nicht rechtens ansehen. Ein Revolutionär hingegen würde das Ereignis auf eine andere Art und Weise betrachten. In seiner Begriffswelt hätte der Begriff Königsmord eine andere Bedeutung und er würde die Hinrichtung nicht verurteilen, sondern vielmehr begrüßen.

Da die Monarchie in seiner Begriffswelt eine andere Bedeutung hat, stellt sich die Wirklichkeit für ihn auch anders dar. Die Ebene der Sprache bestimmt die Ebene der Wirklichkeit.

Dies widerspricht jedoch erneut der klassischen Auffassung des Empirismus (Siehe 1. Teil), in der die Sprache als Spiegel der Wirklichkeit aufgefasst wurde. Die Sprache stellt keinen Spiegel der Wirklichkeit dar, sie verkörpert vielmehr eine bestimmte „Brille“ oder eine bestimmtes Raster, durch das die Wirklichkeit wahrgenommen wird. Die Wirklichkeit erweist sich immer als begrifflich konstruiert, was uns das Verständnis von Sachverhalten ermöglicht. Das erst befähigt uns, die Vergangenheit zu verstehen.

Weitere Artikel zu diesen Thema:

Konstruktion der Geschichte durch Sprache – 1. Teil
Ein Exkurs von Chris Lorenz – 2. Teil

Kommentar verfassen