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Einflüsse anderer Sprachen auf die deutsche Sprache

Grundsätzlich unterteilt die Wissenschaft die Entwicklung der deutschen Sprache in fünf Abschnitte – das Althochdeutsche (ca.750 bis ca.1050), das Mittelhochdeutsche (ca.1050 bis ca.1350), das Frühneuhochdeutsche (ca.1350 bis ca.1650), das Neuhochdeutsche (ca.1650 bis ca.1950) und ab ca.1950 das „Deutsche“ (vgl. Bär 2000: 29). In der Zeit des Althochdeutschen und Mittelhochdeutschen kam es als Folge des Kontaktes verschiedener Kulturen zu lexikalischen Entlehnungen in der deutschen Sprache.

Einflüsse anderer Sprachen auf die deutsche Sprache

Den ersten nennenswerten, sprachlichen Kontakt sieht O’Halloran in der Römerzeit durch den Einfluss des Lateins. Der Kontakt der Römer mit den Germanen in den Provinzen am Rhein und an der Donau sorgte für Wort Entlehnungen wie Kirche, Mauer, Münze, Ziegel z.B. (vgl. O’Halloran 2002: 147).

In der Zeit der Christianisierung kamen zu lexikalischen Entlehnungen aus dem Latein, Entlehnungen aus dem Griechischen und dem Angelsächsischen hinzu. Ab dem 18. Jahrhundert kamen Entlehnungen aus dem Französischen hinzu und ab dem 20. Jahrhundert vermehrt Entlehnungen aus dem Englischen bzw. dem Amerikanischen. In dem Diskurs über Anglizismen heutzutage geht es vor allem um amerikanische Einflüsse auf die deutsche Sprache in Kultur, Technologie, Wirtschaft und Politik.

Eine verallgemeinernde Definition bietet Plümer (vgl. 2000: 28), der vom frühen Mittelalter bis zur Aufklärung das Latein, vom Hochmittelalter bis zum 18. Jahrhundert das Französische und ab dem 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart das Englische/Amerikanische die dominante Rolle zuschreibt. Dabei sagt er, dass der jeweilige tonangebende, sprachliche Einfluss immer mit einer dominierenden politischen Position des jeweiligen Sprachgebers in der Welt zusammenhängt.

Der Sonderweg der deutschen Sprache

In der Zeit des Neuhochdeutschen entwickelte sich Sprache im deutschen Sprachraum anders als in benachbarten Sprachräumen (Französisch und Englisch). Im deutschen Sprachraum entwickelten sich zwei Sprachen gleichzeitig bzw. existierten nebeneinander – Latein und Deutsch.

Während in Frankreich das „Gallische“ und das „Romanische“ zur französischen Sprache verschmolzen und in England sich das „Sächsische“ durchsetzte und andere Spracheinflüsse verdrängte, etablierte sich in Deutschland Latein als eine Gelehrtensprache und „Deutsch“ als die Sprache der Bauern und „Ungebildeten“ bzw. als Allgemeinsprache.

Deutsche Kaufleute und Musiker sprachen Italienisch, Wissenschaftler sprachen Griechisch, Französisch und Latein bestimmt, und Seefahrer und Sportsleute sprachen Englisch (Zimmer 1998: 19). Der Einfluss verschiedener fremder Sprachen vollzog sich auf verschiedene Bereiche und dort weitestgehend mit verdrängendem Charakter auf das Deutsche bezogen.

Resultat ist, dass es in Deutschland bzw. in der deutschen Sprache seit dem frühen Mittelalter deutlich mehr lexikalische Entlehnungen gibt, als in anderen Sprachen. Noch im 16. Jahrhundert waren 70% der im deutschen Sprachgebiet gedruckten Bücher auf Latein verfasst und erst 1687 wurden die ersten Vorlesungen an Universitäten auf Deutsch gehalten (vgl. Stedje 1989: 128). Das das erste auf Deutsch geschriebene Buch war im Übrigen ein „Verdeutschungswörterbuch“ (vgl. Daniels 1979: 148).

Eine  Trennung von Gelehrtensprache bzw. „Hochsprache“ und Allgemeinsprache wurde „zur Tradition“ in Deutschland und in jedem Jahrhundert um die aktuell vorherrschenden hegemonialen Kulturen ergänzt und erweitert. In vielen Teilbereichen haben immer viele Sprachen Einfluss ausgeübt. Über die Jahrhunderte waren dies Latein, Französisch und Englisch/Amerikanisch.

Französische Einflüsse auf die deutsche Sprache

William J. Jones (vgl. Polenz 1994: 80) zu Folge kam es erstmalig zwischen 1575 – 1648 stark zu Entlehnungen aus der französischen Sprache. Während in der Zeit zwischen 1615 und 1624 auf Grund des 30 jährigen Krieges noch militärische Termini vorherrschten, began nach Ende des 30 jährigen Krieges der französische Wortschatz an den europäischen Höfen einzukehren.

Eine zweite und parallele Phase des neuzeitlichen, französischen Spracheinflusses ist in der Zeit von 1645 und 1735 zu sehen (vgl. Polenz 1994: 81), in der vor allem aus alltagsnahen, kurzlebigen Texten entlehnt wurde. Die Hugenotten entwickeln einen prägenden Einfluss auf die preußische Bevölkerung, wo französische Entlehnungen auf breiter Basis auf die Unterschichten Bevölkerung abfärbte (Wagon, Friseur, Brokkoli und viele mehr).

Ein bedeutender Grund des damaligen Anstieges französischer Entlehnungen in der deutschen Sprache ist weltpolitisch im 30 jährigen Krieg zu sehen, welchen Frankreich als einziges Land weitestgehend unbeschadet überstand und als quasi Sieger hervorging. Die sich daraufhin ausbreitende, sozialökonomische und wirtschaftliche Hegemonie des merkantilistischen, fortschrittlichen Frankreich wurde gleichzeitig noch unterstützt von dem Konsumzwang und Luxusbedürfnis unterwürfigen, deutschen Fürstenhofe und den sich ihm anpassenden Oberschichten (vgl. Polenz 1994: 81).

„Frankreich war der einzig mögliche Lieferant begehrter Waren. Nicht nur Leibnitz beklagte, dass ein Zehntel des Jahreseinkommens Deutschlands für Importe aus Frankreich ausgegeben werde; […].“(Brunt 1983: 1ff)

Das Französische war, im „langen 18. Jahrhundert“ (vgl. Osterhammel 1998: 31) die „angesagte“ Sprache auf der Welt. In Deutschland wurde Französisch die Sprache der Oberschicht und der Gelehrten. Französisch war vorherrschend auf kulturellem, wirtschaftlichem und politischem Gebiet. Auf kulturellem Gebiet vor allem durch Philosophen wie Descartes und Voltaire, auf wirtschaftlichem Gebiet waren es insbesondere die Ideen rund um den Merkantilismus und auf politischem Gebiet die absolutistische Idee.

Unter Friedrich dem Großen fand der französische Sprachkontakt in Preußen seinen Höhepunkt. Am Hofe zu Sanssouci wurde fast ausschließlich Französisch gesprochen. Friedrich der Große unterschrieb seinen Regierungsantritt mit Frederic Philosoph, auf Französisch, was seine große Verbundenheit zum Französischen und zu der französischen Philosophie bekräftigte. Noch bemerkenswerter ist der Umstand, dass Friedrich der Große kaum Deutsch lesen, geschweige denn schreiben konnte.

Durch weltpolitische Niederlagen der Franzosen gegenüber den Engländern auf breiter Basis, kam es im 19. Jahrhundert allmählich zu einer Wende. Bedeutende Niederlagen waren die Verdrängung aus Amerika und Indien, der 7-jährige Krieg und die Niederlagen Napoleons und die damit verbundene Neuaufteilung Europas und der Welt auf dem Wiener Kongress 1814.

Mit dem Aufstieg des British Empire im 19. Jahrhundert zur politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Weltmacht, wurde auch die französische Sprache abgedrängt. Dies führte im frühen 19. Jahrhundert zu einem Rückgang der Entlehnungen aus dem Französischen und ein Anstieg an Entlehnungen aus der englischen Sprache, wie z.B.  Show für Revue, Gag für Pointe und auch Ticket für Billet (vgl. Polenz 1999: 405f).

Englische Einflüsse auf die deutsche Sprache

„Um die Mitte des 17. Jahrhundert gab es nur wenige Deutsche, die die englische Sprache beherrschten, aber nach kaum mehr als hundert Jahren gehörte eine gewisse Kenntnis des Englischen zum Rüstzeug der wirklich Gebildeten, und der Wortschatz der Literaten und Intellektuellen war mit Anglizismen geradezu gespickt.“ (Ganz 1957: 11)

Mit dem „Königsmord“ des englischen Volkes an Karl I. rückte England 1657 in das Auge des europäischen Geschehens. Dieser Mord versetzte die gesamte höfische Welt Europas in Aufregung. Ein absoluter Herrscher wurde von seinen Untertanen gerichtet. Im deutschsprachigen Raum spiegelten sich diese Ereignisse in Literatur und „Berichten“ nieder und Entlehnungen, wie Komité, Hochverrat, Oberhaus, Kartell, Partner, Standard, Lokomotive, Essay, Reporter, radikal, Mob, Streik oder Imperialismus drangen in den deutschen Sprachraum ein (vgl. Ganz 1957: 13). Die im Jahre 1769 gegründete Hamburger Handelsschule war die erste, die einen regelmäßigen Englischunterricht abhielt. Sechs Stunden Englisch in der Woche standen zwei Stunden Französisch täglich gegenüber (vgl. Ganz 1957: 12).

In Deutschland entwickelten sich vier Hauptzentren des englischen Einflusses: Hamburg, durch seine Hafenlage schon immer in engen Beziehungen zu England stehend und mit einer Handelsschule nun auch Englisch unterrichtend; Zürich und Leipzig, wo vor allem die englische Dichtkunst sehr geschätzt wurde, und die Universität Göttingen, die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu einem wichtigen Zentrum englischen Einflusses wurde. Diese warb offen um englische Studenten und als Georg III. im Jahre 1786 beschloss, drei seiner Söhne in Göttingen studieren zu lassen, wuchs das Prestige der Universität auch in England (vgl. Ganz 1957: 16). Ferner gelangten immer mehr Reiseberichte englischer Abenteurer und Kaufleute ins Land und insbesondere im 19. Jahrhundert auch die der Forschungsreisenden (Die Entzauberung Asiens).

Das britische Empire began die Weltgeschehnisse zu lenken und der Einfluss der englischen Sprache auf die deutsche Sprache wurde größer. Beflügelt durch das aufkommende Bürgertum entwickelten sich neue Ideen zu Staatsführung, neue wirtschaftliche Theorien und staatstheoretische Gedanken, die alle Ihr eigenes Vokabular mit brachten und in der Regel lexikalisch entlehnt wurden.

In Deutschland beginnt damit auch die englische Literatur flächendeckend auf die Gesellschaft zu wirken. Zuerst werden englische Bücher immer noch ins Französische übersetzt, was sich im Laufe des 19. Jahrhunderts ändert.

Weltpolitisch gesehen legte England im 18. Jahrhundert den Grundstein mit strategisch wichtigen Siegen gegenüber Frankreich, um im 19. Jahrhundert die Welt zu erobern. Was sie im 18. Jahrhundert noch als Forschungsreisende besuchten, eroberten sie im 19. Jahrhundert, beflügelt durch die einsetzende Industrialisierung in England, im Sturm (vgl. Osterhammel 1998: 22). England schlug Frankreich in allen Teilen der Welt (Amerika, Indien, Europa) und die englische Sprache trat an die Stelle des Französischen.

„Amerikanisches und britisches Englisch“

Eine entscheidende Rolle im Hinblick auf die Anglizismen- Debatte heute spielen vor allem Entlehnungen aus dem amerikanischen Englisch, die seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges vermehrt auftreten. Im Allgemeinen kann man im 20. Jahrhundert von drei Entlehnungs-Phasen sprechen, in denen englische Begriffe nach Deutschland gelangten. Die erste Phase ist die Zeit bis zum ersten Weltkrieg, die noch sehr britisch geprägt war, die Zweite ist die Zwischenkriegszeit und die Dritte ist die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg.

Durch die Befreiung Europas und speziell die Befreiung Deutschlands wurden die USA zum Inbegriff der Freiheit und zur Leitkultur einer ganzen Generation, was dazu führte, dass der spezifische American Way of Life in die ganze Welt getragen wurde. Nach dem kalten Krieg verblieb die USA als einzige Supermacht der Welt.

Wörter wie Teenager, Musik-box, Bikini wurden als freiheitlich und modern bewertet und übernommen. Der Sprachkontakt des amerikanischen Englisch beschränkte sich nicht wie in den lateinischen, französischen und englischen (BE) Einflüssen vor dem 20. Jahrhundert nur partiell auf vor allem die Oberschichten, sondern verbreitete sich in der gesamten Gesellschaft. Einer der Gründe ist mit Sicherheit das Verbleiben der USA als Besatzungsmacht in West-Deutschland, wodurch es auf kultureller Ebene auf mannigfaltige Weise zu Sprachkontakten kam (vgl. Carstensen 1965: 16).

Die Amerikaner beherrschten im 20. Jahrhundert den wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Sektor. Sie waren und sind führend auf dem Gebiet der technischen Innovationen, im Bereich der Wissenschaft und politisch gesehen eine Weltmacht. Sie exportieren nicht nur Waren, sondern vornehmlich kulturelle Werte in alle Welt. Im 21. Jahrhundert ist die Vormachtstellung der USA nicht mehr so deutlich und ein Rückgang des politischen Einflussgebietes ist auszumachen.

Fazit

Die deutsche Sprache ist eine Sprache, die viele Entlehnungen in Ihrem Wortschatz aufweist und Fremdwörter nicht als Teil der der Sprache sieht. Die deutsche Sprache ist seit dem frühen Mittelalter vielen sprachlichen Einflüssen ausgesetzt und hat diese, nicht wie andere Sprache assimiliert, sondern zur Sprache „addiert“ und dazu immer auch das „Fremde“ erhalten. Es kam selten zu einem „Verschmelzen“, wie z.B. im Spanischen, wo sogar Eigennamen wie „The Big Apple“ konsequent übersetzt werden (La Gran Manzana).

Mit einem gewissen romantischen Blick darauf, finde ich das sehr schön, denn in der deutschen Sprache zeigt sich quasi europäische Geschichte, Kultur und Vielfalt. Laien können heutzutage „wirklich richtig deutsche“ Wörter nur noch schwer identifizieren, da es dieses „wirklich richtig Deutsche“ irgendwie auch gar nicht gibt.

Realistisch betrachtet ist das Übernehmen von hegemonialen Spracheinflüssen eher eine Ursache aus der jeweiligen politischen Situation deutscher Fürstentümer und „frühen Nationalstaaten“ und Ursache einer langen Identitätsfindungs-Phase des „Deutschen“ (Vereinfacht ausgedrückt), was sich bis in 20. Jahrhundert durchzog und in einem Desaster mündete (2. Weltkrieg).

Vor allem lexikalische Entlehnungen sind der Grund, warum „Menschen“ heute über den „Sprachverfall der deutschen Sprache“ sprechen und anprangern, dass viele Begriffe nicht auf deutsch existieren. Doch was ist überhaupt deutsch, wenn man bedenkt, dass seit fast 500 Jahren viele Sprachen zur deutschen Sprache gehören? Diese Fragen stellen sich denn Menschen eher seltener, habe ich das Gefühl.

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