Der Tag in Akaba klingt langsam aus. Wir sitzen im Pub, bekommen Hunger und entschließen uns das – laut Reiseführer – beste Restaurant der Stadt zu besuchen. Mit einer Briefmarken-Großen Karte machen wir uns auf den Weg.

 

Zurück auf der Hauptstraße lassen wir das Pub links liegen und gehen in Richtung israelische Grenze. Am ersten Kreisverkehr nehmen wir den zweiten Ausgang und folgen der breiten Straße nach Norden. Jens schaut immer wieder auf den kleinen Kartenausschnitt im Lonely Planet und versucht unsere Zielstraße mit den an uns vorbeiziehenden Seitenstraßennamen zu vergleichen.

Nach einem zehnminütigen Fußmarsch biegen wir rechts in eine Straße ein. Die uns umgebenden Einfamilienhäuser haben meist zwei Stockwerke und werden umrahmt von hohen weißen Mauern. Darüber lugen Palmwedel und vereinzelt Zitronenbäume. Wie dringen tiefer in das immer schmutziger werdende Wohngebiet ein. Überall liegen Schutt, eine umgestürzte Mülltonne, Plastikabfall und Wasserkanister herum. Die Bordsteine werden immer bröckeliger und der Weg wandelt sich von einem Asphalt- zu einem Sandweg. – Wir sind definitiv falsch. –

Über eine sandige Freifläche hinweg sehen wir zehn Jugendliche in einem Käfig Fussball spielen. Wir überlegen ob wir rüber gehen und eine Runde mitspielen. Unser Hunger und die anbrechende Dämmerung lassen uns den Gedanken verwerfen. Wir schwenken nach rechts zurück in die Richtung wo der Kreisverkehr liegen müsste, durch eine schmale Gasse aus eingeschossigen Häusern.

Der Muezzin der vor uns liegenden Moschee beginnt seinen Sing-Sang um die Gemeinde zum Gebet zu rufen. Vor der Moschee stehen viele Autos, über die Straße rennt gehetzt ein Mann in weißen Kaftan und Leder-FlipFlops. Er flippt aus den Schuhen und verschwindet in die Moschee. Mittlerweile ist es dunkel geworden und die Straßen sind menschenleer. Zwei Kinder auf Fahrrädern fahren uninteressiert an uns vorbei. Wir beschließen das es wohl besser ist wieder auf die Hauptstraße zu gehen, nehmen die nächste Kreuzung und biegen rechts ab. An der großen, stark befahrenen Straße schwenken wir nach links zurück zum Kreisverkehr.

Hier holen wir erneut den Führer aus dem Rucksack und versuchen uns zu orientieren. Ein vorbei laufender großer Mann mit Brille, schütterem Haar und dunkelbraunem Stoffmantel sieht wie wir halb hilflos die Orientierung verloren haben und fragt uns ob er helfen könne. Wir erklärten ihm wo wir hin wollen und er weist uns die richtige, komplett gegensätzliche Richtung.

Fünf Minuten später setzen wir uns an einen Tisch vor das Ali Baba. Wir bestellen zunächst Wasser und ein lokales Bier namens „Petra“. Zum Essen bestelle ich mir „Boneless Chicken mit Zitronensoße“ und bekomme Hühnchen mit einer Sahnesoße, Champignons und Pommes. Das ist zwar nicht was ich erwartet hatte, schmeckt jedoch vorzüglich. Beim Trinken des Biers stellen wir fest das es sich bei „Petra“ um 10%iges Starkbier handelt und quälen es uns mit jedem Schluck herunter.

Nach dem Essen trinken wir noch einen türkischen Kaffee, bestellen ein weiteres Bier, diesmal lokal gebrautes Amstel und lassen uns eine Chicha bringen. So verbringen wir die nächsten Stunden rauchend und trinkend bis wir die einzigen Gäste im lokal sind. Die mittlerweile draußen stehenden Angestellten scheuchen die bettelnden Katzen weg und geben uns mit „don’t hurry“ zu verstehen, das wir in Ruhe weiter rauchen sollen.  Leicht angetrunken beschließen wir dann aber doch die Rechnung kommen zu lassen und machen uns mal wieder auf den Weg.

Diesmal wollen wir direkt ins Hotel, die paar Stunden Schlaf, die unzähligen Kilometer zu Fuß und das Bier machen uns langsam träge.

Akaba - Chicha im Ali Baba Akaba - und 10% "Petra"

Es ist so gegen 23:00 Uhr und das Hotel sollte nach zwei Querstrassen schnell erreicht sein. Die Hauptstraße entlang laufend kommen wir an einem großen Laden vorbei in dem noch rege Beschäftigung vorherrscht. Es ist eine Großbäckerei die unzählige verschiedene Kekse, Brötchen, Croissants und Pide-Brote anbietet. Wir gehen hinein um uns noch mit ein paar Keksen zu versorgen.

Da wir nicht wissen wie das System hier funktioniert fragen wir den nächst besten Araber und er freut sich überschwänglich das er auf englisch angesprochen wird. Er fängt sofort an von der Bäckerei zu schwärmen. Es sei die Größte in ganz Akaba, jeder Laden kauft hier sein Brot, im Keller befindet sich ein 900m Brotbacklaufband. Wir sollen kommen, er möchte es uns zeigen. Beschwipst wie wir sind folgen wir ihm durch den Laden, vorbei an einer Gruppe Männern die gerade Teig zu Keksen rollen.

Wir gehen durch eine vergilbte Tür und stehen in einem schummrig beleuchtetem Treppenhaus. Er geht die Steintreppe ohne Geländer herunter und wir folgen ihm. Im Keller angekommen erwartet uns ein großer von zwei Neonröhren relativ dunkler Raum in dem mindestens 35 Grad Celsius herrschen. In einer Ecke liegen mehrere Säcke Mehl auf dem Boden der oberste aufgerissen. Darin steckt eine große Aluschaufel, bereit Mehl in das daneben stehendende übergroße Rührgerät zu geben. Er führt uns die ganze Anlage entlang, vorbei an dem Portionierer, dem Ofen und dem Kühllaufband das durch einen kleinen Schlitz in der Decke in den Verkaufsraum führt. Am Ende seiner Führung drückt er uns vier Pide in die Hand, macht Fotos mit meiner Kamera von uns und wir gehen durch das Treppenhaus  wieder nach oben. 

Oben angekommen bietet er mir an mich zu den Kekse rollenden Männern zu gesellen und ein paar Kekse zu formen. Ich bekomme ein stück Teig hingelegt und forme daraus eine kleine 10cm lange Wurst und lege sie auf das ein mal ein Meter große Backblech. Die Männer nicken mir zustimmend zu, scheinbar hatte ich alles richtig gemacht.

Akaba - In der Bäckerei Akaba - Bäckerei und Mehlsäcke Akaba - Bäckerei Portionierier Akaba - Bäckerei Keksroller

Nach zwei weiteren Teigwürsten bedanke ich mich höflich und gehe mit Jens zurück in den Verkaufsraum. Er füllt eine Box mit den verschiedensten Kekssorten und geht zur Kasse. Hinter und neben dem Kassierer mit seiner Waage stapeln sich hunderte Pide-Brote, bereit von den Läden in Akaba für das immer näher rückende Frühstück gekauft zu werden. Die Keksbox wird gewogen und Jens zahlt nicht einmal einen Dinar.

Wir verabschieden uns dankbar von allen Angestellten im Laden und setzen unseren Weg zum Hotel fort. Wir biegen die nächste Straße hinter der Bäckerei ein. Das Licht ist dunkel und die Szene wirkt wieder so bedrohlich wie bei unserer Ankunft. Wir biegen ein weiteres Mal links ab, vorbei an unserem Frühstücksladen und entdecken auf der rechten Seite einen Laden aus dem laute, moderne Musik ertönt.

Wir schauen herein und blicken in ein kleines Spieleparadies. In dem schlauchförmigen Raum – keine zwei Meter breit und sechs Meter lang – hängen an der linken Seite drei große Flachbildfernseher. Darunter stehen jeweils auf einem Holzhocker eine PlayStation 3 und davor ausgesessene schwarze Ledersessel. Im hinteren Teil des Ladens schaut ein arabischer Jugendlicher gleichgültig über den Tresen.

Die Musik im Laden ist brüllend laut und wird von den englischen Kommentaren der laufenden ProEvolutionSoccer-Kommentatoren noch übertönt. Wir schauen uns an und sofort ist klar das wir hier noch eine Runde Fussball zocken müssen. Jens bezahlt die eineinhalb Dinar und wir sinken in die Sessel direkt am Eingang. Ich habe ohne eine Chance verloren, aber für diese Erfahrung und den absolut passenden Abschluss des Tages ist das in Ordnung. 

Akaba - Pro Evolution Soccer Akaba - Feierabend

Wir machen noch unser letztes Spiel zu Ende, gehen dann zwei Eingänge weiter in unser Hotel, aufs Zimmer und können vor den vielen Eindrücken nicht einschlafen. Wir rauchen am Fenster noch eine Zigarette und gehen mit Hummeln im Bauch – was die nächsten Tag wohl noch alles passieren wird – ins Bett.

Über den Autor

Ich bin irgendwas zwischen Pauschaltourist und Backpacker. Ohne Fernweh und mit dem zwingenden Bedürfnis nach einfachstem Luxus, wie zum Beispiel keine Kakalaken auf Klo.

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