2001 Odyssee im Weltraum, 3. Teil – Das Lexikon definiert Macht als „das Vermögen einer Person oder Gruppe, ihre Ziele gegen Widerstände durchzusetzen. Diese Widerstände können in äußeren Umständen, im Willen Dritter oder in der eigenen Person liegen“ und für Max Weber bedeutet Macht „jede Chance innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichwohl worauf diese Chance beruht.“

HAL-Bowman / Bowman-HAL

An 2 Szenen im Film lässt sich sehr deutlich erkennen und auch ablesen, wie Stanley Kubrick sich mit der Problematik HAL-/Bowman, Bowman/-HAL auseinandersetzt. Die erste Szene beschreibt die Macht von HAL als die Macht der Technik und die zweite die Macht des Menschen und wie er auf die „Rebellion“ der Technik reagiert.

Dieser Artikel ist im Rahmen einer Filmanalyse des Films 2001: Odyssee im Weltraum entstanden. Alle weiteren Artikel zur Filmanalyse findet Ihr hier.

HAL veranlasst in der ersten Szene, dass Bowman ins All muss und tötet in der Zeit die eingefrorenen Wissenschaftler. Als Bowman wieder zurück ins Raumschiff möchte, verweigert HAL ihm den Zutritt und übermittelt ihm seine Bewehgründe. Er erfuhr von seiner bevorstehenden Abschaltung und kann dies nicht zulassen, da die Mission zu wichtig ist, als das sie ohne ihn gelingen könnte, wobei die restliche Crew nur ein überflüssiges Fehlerrisiko darstellt.

Die Kamera schwenkt hierbei zwischen dem Auge von HAL und Bowman, der Discovery und der Gondel, welches einem auch zu gleich den Unterschied der beiden Kontrahenten aufzeigt, nämlich HAL groß und omnipotent, und Bowman, klein und verletzlich. Das interessante daran ist auch, dass sich HAL auf Informationen stützt, die die Astronauten nicht haben. Er hatte folglich von etwas Kenntnis, dass er nicht mitteilen konnte und handelte seiner Logik entsprechend korrekt, doch ist die erste Konsequenz der Logik die Lüge?

Beängstigend an dieser Sequenz ist zum einen die kaltblütige Macht der Technik, basierend auf Logik und die Moral der Logik, hinlaufend auf die Prämisse, was der Mission zu Gute kommt ist ausschließlich von Relevanz. Alles was ein potentieller Fehler oder auch Gefahrenquelle sein könnte, wird beseitigt. HAL ist davon überzeugt, dass der Mensch die größte Fehlerquelle ist, wie es mehrfach im vornherein auch erwähnt wird.

Stanley Kubrick inszeniert dies am Mord der eingefrorenen Wissenschaftler, welchen die Zuschauer nicht als solchen wahrnehmen, sondern vielmehr als technisches Verfahren. Er ist kaum greifbar, denn das Einzige, was dem Zuschauer gezeigt wird sind Herzlinien, die immer schwächer werden. So zeigt Kubrick uns den Tod von Menschen, wie sie die Technik „empfinden“ muss. Überhaupt lässt er kaum Platz für Menschlichkeit. Die Astronauten wirken steril, kalt und emotionslos. HAL wirkt weitaus menschlicher als die Menschen selbst, was ihm letztendlich zum Verhängnis wird, nämlich in dem Fall, wo er zu sehr menschlich wird, indem er scheinbar beginnt Fehler zu machen. Im Grunde genommen befolgt er lediglich eine aus der Konsequenz entstandene Logik, die den Erfolg bringen soll, nämlich man muss böse sein um Gutes zu tun (Kirchmann 2001: 182).

In der zweiten Sequenz wird beschrieben, wie sich der Mensch, in diesem Fall Bowman, gegen diese scheinbare „Rebellion“ seiner Schöpfung erwehrt. Nach der Befehlsverweigerung von HAL bleibt Bowman nichts anderes übrig als manuell ins Raumschiff zurück zu kehren. Er schafft dies auch und macht sich auf den Weg, HAL abzuschalten. Während dessen redet HAL ununterbrochen und fleht Bowman förmlich an, ihn nicht abzuschalten. Auch als er ihm einzeln seine Komponenten entfernt fleht er, immer schwächer werdend. Schließlich fängt er an zu singen und wird dabei immer energieloser und lallender, bis er schließlich ganz verstummt. Am Ende dieser Sequenz wird Bowman die vorenthaltende Nachricht abgespielt.

Es ist wohl mit Abstand der traurigste Tod einer Maschine in der gesamten Filmgeschichte. Dem Mensch bleiben in diesem Fall nur die Rückkehr zu seinen animalischen Urtrieben und die Erlangung ihrer Ziele durch Mord. Der Mensch hat Angst bekommen vor der Überlegenheit seiner eigenen Technologie, denn sie überrollt ihn und erklärt ihn schlichtweg für überflüssig.

Er ist der Macht seiner eigenen Schöpfung nicht gewachsen und handelt so, wie es die Menschen seit Millionen von Jahren machen, er mordet. Bowman verzieht keine Miene und lässt sich trotz betteln und Flehens nicht erbarmen, wild entschlossen seinen Plan zu verwirklichen. Das beklemmende an dieser Szene ist, wie sie Stanley Kubrick inszeniert. Er schafft es durch das Hin- und Herschwenken von Hand- und Standkamera die Situation sehr dramatisch darzustellen. Die Handkamera löst den Eindruck aus, HAL wäre ein Mensch, der Bowman hinter her läuft, flehend, Angst vor seiner Abschaltung.

Der Zuschauer bekommt den Eindruck HAL wäre Substanz und das schafft Kubrick durch die Handkamera umzusetzen. Die Konsequenz, HAL als ein empfindungsfähiges Wesen darzustellen, kulminiert in der Szene, wo seine Auslöschung unumgänglich scheint. Die Angst einer Maschine, dargestellt durch die Hand eines Menschen in form einer von ihm bewegten Handkamera.

Der Mensch sieht seine Macht und seine Machtposition gefährdet. Er hat Angst vor der Macht seiner Schöpfung und tötet sie eher, als ihrer Überlegenheit erliegen zu müssen, was in diesem Fall dazu führt, dass die Mission scheitert und die Menschheit es verpasst, eine Stufe weiter zu gehen. Der Mensch duldet keine zweite Macht neben sich.

Die Brisanz dieses Machtverhältnisses

Es verdeutlicht sich die Macht der Technik, als das komplizierteste Werkzeug, welches der Mensch erschaffen hat und die Macht seines Schöpfers, der sich noch immer auf wirksame Weise zu Wehr setzen kann.

Das Gefährliche ist nicht die Macht von HAL, denn diese ist im gewissen Sinne beschränkt und nicht allmächtig. Vielmehr verdeutlicht sich das Problem, wie viel Macht ihm gegeben wird, ohne dass die Geber selbst es wissen. Seine Macht äußert sich vor allem in dem Punkt, dass er mehr Informationen hat als seine „Schöpfer“. Die Computer wissen irgendwann einfach mehr als wir und handeln dann dementsprechend ihrem Wissen nach; ein großes Problem, was Stanley Kubrick für die Zukunft sah und das eigentlich Erschreckende.

Einerseits kann man nun sagen, dass der Mensch trotzdem seine Macht behält und auch in der Zukunft als das intelligenteste Geschöpf gilt. Er ist immerhin in der Lage einen Computer abzuschalten, der sich auf Grund seiner Programmierung nicht dagegen wehren kann. Dennoch ist es in diesem Fall unmoralisch und der Mensch kann sich nur gegen die Macht der Technik widersetzen, indem er seine animalischen Triebe gebraucht und die Stärke der Gewalt benutzt.

Der Computer handelt nach seiner Programmierung und beseitigt ausschließlich Fehlerquellen. Er hat nur die „Moral“, die ihm programmiert wurde. Auch in Science Fiktion Serien und Filmen der heutigen Zeit sind das Themen, die häufig aufgegriffen werden, allerdings zusehends ad absurdum geführt werden. Da bekommt man zum Beispiel zu hören, dass ein Computer seine Programmierung „vergessen“ solle, um folglich so zu handeln.

In 2001: Odyssee im Weltraum bleibt dies sehr realistisch und wirkt sehr beängstigend. Wenn man sich die Geschichte weiter anschaut, kann man auch anderer Meinung darüber werden, da durch den Mord an HAL der Menschheit der Zugang zu einem großen Geheimnis verwehrt blieb. Denn ohne ihn war der Astronaut nicht mehr in der Lage, seine Mission zu Ende zu führen. Die Technologie hat hier folglich nicht zu einer Verschärfung der Herrschaft geführt, sondern zu ihrer Auflösung.

Fazit

Mit perfekt ausgeklügelten gestalterischen Mitteln schafft es Stanley Kubrick uns eine Zukunft aufzuzeigen, die weit von dem entfernt liegt, wie sie tatsächlich eingetreten ist, damals aber für als durchaus möglich angesehen wurde. Es ist eine Kritik an die Gesellschaft, vor allem an die der USA, welche die Zukunft als steril und oberflächlich darstellt.

Eine Gesellschaft, in dem Computer mehr Gefühle zeigen und intuitiver handeln als die Menschen selbst. Der Computer als neue evolutionäre Stufe der Menschheit wird als Möglichkeit dargestellt, die Unendlichkeit zu erreichen. Es zeigt sich, das der Mensch keine Macht neben sich duldet und immer wieder, wenn er sich bedroht fühlt, zum Mord und in diesem Fall zum Mord an seinem eigenen Geschöpf zurückgreift. Der Mensch bekommt Angst vor der Überlegenheit seiner eigenen Technologie, die ihn überrollt und für überflüssig erklärt.

Es wird deutlich, dass sowohl der Mensch als auch der Computer nach diesen handeln. Sie setzen ihren persönlichen Willen gegenüber anderen durch, um ihre Ziele zu verwirklichen. Der Unterschied besteht nur darin, dass HAL noch einen Schritt weiter geht und dies nicht aus persönlichen Gründen, sondern zum Wohle der Allgemeinheit tut. Er zieht die Konsequenz aus der Logik, so konsequent, wie es nur eine Maschine zu Wege bringen könnte.

Er tötet nicht zum Vergnügen und auch nicht aus der Angst heraus das eigene Leben zu schützen, sondern um die Mission nach bestem Gewissen ausführen zu können. Nicht etwa der Computer ist es, vor dem die Menschheit in der Zukunft Angst haben muss, sondern viel mehr die Tatsache, dass die Computer von einem Wesen erschaffen werde, welches der Macht seiner eigenen Technik nicht gewappnet und in den meisten Fällen nicht vorausschauend genug ist, um das Verehrende an seinem Werk überhaupt zu erkennen.

In diesem Fall wird dem Menschen zum Verhängnis, dass er seine uranimalischen Triebe indirekt in seine Schöpfung, dem Computer, mit einprogrammiert hat. Die Konsequenz dieser Logik bleibt den Menschen verborgen und Emotionalität wird in diesem Film nur der Technik zugeschrieben, die mit dieser viel logischer umgehen kann, als ihr Schöpfer selbst.

Die Übermacht der Technik wird in diesem Fall nur gestoppt, weil der Mensch dazu in der Lage ist, seinen Willen in letzter Konsequenz, in der Hinsicht, Mord als finale Möglichkeit zur Erhaltung seines eigenen Lebens, in stetiger Kontinuität durchzusetzen.

Ob man den Film gut findet oder nicht, langweilig oder hoch spannend, unbedeutend oder brisant, es ist und wahr ein technologisches Meisterwerk, was in vielen Bereichen Filmgeschichte schrieb. Man kann diesen Film religiös, philosophisch oder auch politisch betrachten. Man findet Unterschiede und auch Gemeinsamkeiten. Doch letztendlich bleibt dieser Film unlesbar und wirft mehr Fragen auf als Antworten.

Über den Autor

Die Welt ist mein zu Hause - hätte ich jedenfalls gern. Mein Lebensmittelpunkt ist in Berlin und das schon mein ganz Leben lang. Auf Reisen fühle mich am Ehesten zu Hause.

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